Bericht von Dag
„Beeilt Euch, die Liemba legt ab“ ruft Chris, der Besitzer unser Lodge. Schnell packen wir die Kamera und laufen zum Strand, wo sein Boot liegt. Chris startet den Motor und wir fahren hinaus auf den See und schon erspähen wir die „alte Dame“, die immer noch mächtig Dampf macht. Eine ganze Zeit lang fahren wir parallel zum Schiff und so kann ich in aller Ruhe ein paar Fotos machen.
Die MV Liemba, wie sie seit 1927 heißt, wurde eigentlich unter dem Namen „Graf Goetzen“ und als Dampfschiff 1913 im deutschen Papenburg gebaut. Der Auftrag war ein Befehl des deutschen Kaisers Wilhelm II. und der Bauauftrag wurde durch die Ostafrikanische Eisenbahngesellschaft der Meyer-Werft erteilt. Der Hintergrund war, dass die „Graf Goetzen“ in der damaligen deutschen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ (dem heutigen Tansania) auf dem Tanganyika See die Präsenz der Kolonialherren erhöhen und die Belgier von einer möglichen Kolonialexpansion abhalten sollte.
160.000 Nieten hielten das Schiff zusammen und nach zehnmonatiger Bauzeit wurde das Schiff an der Ems wieder zerlegt und in 5.000 Holzkisten mit einem Gesamtgewicht von 1.200 Tonnen verpackt. Mit dem Zug ging es dann nach Hamburg und von dort mit einem Dampfer in Richtung Afrika, nach Dar es Salaam, der damaligen Hauptstadt der Kolonie. Quer durch das Land nach Westen wurden die Kisten dann erneut von der Bahn transportiert bis zum Hafen Kigoma am Tanganiyka See. Dort bauten rund 250 einheimische Arbeiter und 20 Inder unter der Leitung des deutschen Konstrukteurs Rüter, einem Gesellen und einem Nieter der Meyer-Werft das Schiff wieder zusammen. Der Stapellauf erfolgte dann am 5. Februar 1915.
Da mittlerweile der erste Weltkrieg ausgebrochen war, wurde das Schiff Mitte des Jahres mit Geschützen ausgerüstet von einem nicht mehr operationsfähigen Schiff, der SMS Königsberg. Interessanterweise wurde zu dieser Zeit auch der Konstukteur Rüter Kapitän des Schiffes.
An der Südspitze des Sees, in Kasanga, wurde das Schiff mit 1.000 Soldaten stationiert. Und von dort aus beherrschte die Graf Goetzen den See, da die Briten nur zwei kleinere Boote auf dem See hatten. General Paul von Lettow-Vorbeck nutzte das Schiff als Versorgungsschiff und für Truppenverlegungen. Bis zum 10. Juni 1916, denn da wurde das Schiff von vier belgischen Wasserflugzeugen bombardiert und als es Tage später im Hafen von Kigoma zur Reparatur lag, erneut. Beim Rückzug der deutschen Truppen musste Kigoma aufgegeben werden und da befahl von Lettow-Vorbeck, die Graf Goetzen zu versenken. Rüter, der Konstrukteur und Kapitän, dem das Schiff ans Herz gewachsen war, ließ das Schiff dick mit Fett einschmieren und öffnete die Seeventile zum Fluten nahe dem Ufer.
Noch 1916 wurde das Schiff von den Belgiern gehoben, sank bei einem Sturm 1920 aber erneut. Als die Briten die neuen Kolonialherren wurden, hoben sie sie erneut und 1927 ging das Schiff wieder in Betrieb unter dem Namen „Liemba“.
Heute fährt das Schiff seit 1961, unter einheimischer Führung und Besatzung, als einziges großes Passagierschiff regelmäßig über den See. Alle zwei Wochen fährt sie die 700 Kilometer lange Route zwischen Mupulungu in Sambia und Kigoma in Tansania. Sie legt dabei 15 Mal an und dabei meist nur an kleinen Dörfern, die noch nicht einmal einen Hafen haben, allerdings oft auch keine Straßenanbindung. Das Be- und Endladen erfolgt dann über Barkassen, wie auch hier in Kipili, wo wir auf die Graf Goetzen getroffen sind. Dieses alte Schiff ist daher immer noch wichtig für die Versorgung vieler Menschen, die entlang des östlichen Ufers des Sees leben. Und so lange es keine Straße zu den Dörfern des See gibt, wird die „LV Liemba“ auch sicher noch weiter fahren.
Uns hat das Schiff mit seiner bewegten Vergangenheit sehr fasziniert. Aber da scheinen wir nicht die einzigen zu sein, denn mittlerweile gibt es mehrere Filme über sie und in den 50er Jahren war sie ja schon einmal Leinwandstar. Als Kanonenboot Louisa im amerikanischen Spielfilm „African Queen“ mit Humphrey Bogart und Kathleen Heburn.
„African Queen ja das ist ein toller Film, hält mich immer wieder fest am Fernseher.
Bis bald eure Berichte immer wieder gern lesende Rita
Tuut…
Bin wieder auf Deck. Und dann gleich der feine Tanganyika Bericht mit dem bestens recherchierten Graf Goetzen Anteil.
Für jeden Afrika- und Meyerfreund die ganz große Spitze. Rolf.
Thomas, Dagmar,
das Schiff macht doch einen robusten Eindruck. War die berühmte LIRPA nicht so sehr seetüchtig, ist die Liemba doch sicher eine tolle Option, um sich nach Europa zurückschiffen zu lassen: Dann kann die Liemba auch zur Inspektion in die Meyer Werft – wahrscheinlich nur zum Ölwechselservice. Alles andere scheint ja noch toll in Schuss zu sein. Gruss Gerd
Ich bin in 2010 mit der Liemba gefahren. Bei diesem Bericht kommen die guten Erinnerungen hoch.
Bald wird wohl ein neues Buch über die Liemba veröffentlicht: http://www.liemba.wordpress.com
Gruß, Rudolf