Faehre des Grauens

24 Okt

Reisebericht von Tom

Ihr kennt doch bestimmt alle die Horror-Berichte über die asiatischen oder afrikanischen Fähren, die zu 500% überladen sind und dann auch noch untergehen? Unsere Fähre über den Assuan-Stausee von Ägypten nach Sudan war eine aus dieser Kategorie…allerdings ist sie (noch) nicht untergegangen. Von daher ist der   reisserische Titel dieses Reiseberichts vielleicht etwas übertrieben, aber zumindest erhöht er bestimmt die Klick-Rate, oder? Wer die ganze Geschichte lesen möchte, kann nun gerne unten weiterlesen.

 

Wir hatten ja im Reisebericht von den „Neppern oder Helfern“ schon darüber berichtet, dass das Ticket-Office der zuständigen Ägyptischen Nil-Schifffahrtsgesellschaft in Assuan nicht ganz so einfach zu finden ist, weil ein bißchen unscheinbar (siehe Bild).

 

 

 

Im Ticket Office gibt dann ein gewisser Herr Salah der Ton an – er ist nämlich der Chef und Ober-Monopolist. Nachdem wir uns zuerst (Mittwochs) über den Fähr-Preis für unseren Rhino aufgeregt hatten (ca. 650 Euro), sind wir dann am Samstag doch ganz froh, überhaupt ein Ticket zu bekommen, denn die Fähre ist angeblich überbucht (wie immer???) und im Ticket-Office ist die Hölle los.

 

 

 

Am Montag morgen um 8 Uhr sind wir dann mit allen Mitreisenden mit Fahrzeug in Assuan am Strassenverkehramt verabredet (kein Witz).

 

 

 

Dort müssen wir die Bescheinigung der Polizei vorlegen, dass wir in Ägypten in keinen Verkehrunfall verwickelt waren, über keine rote Ampel gefahren sind und auch nicht geblitzt worden sind (auch kein Witz). OHNE diese Bescheinigung der Polizei, die wir uns bereits am Vortag besorgt hatten, kann man nämlich sein Fahrzeug nicht abmelden und darf dann auch nicht ausreisen. Aber es geht alles glatt, keine 2 Stunden später sind wir durch und fahren im „Konvoi“ mit einem Mitarbeiter des StVA direkt zum Hafen.

 

Dort hat einer der vielen ägyptischen Götter vor die Verladung und Abfahrt leider noch die Ausreiseformalitäten gesetzt. Aber die können uns jetzt auch nicht mehr schocken, dauern nur ca. drei etwas chaotische Stunden und dann dürfen wir in der prallen Nachmittagssonne (hatten wir eigentlich schon mal erwähnt, dass es in Assuan recht warm war?):

 

 

 

 

 

erst mal warten, bis die Ägyptischen Hafenarbeiter nach jahrtausendelang eingespielter Prozedur (also das blanke CHAOS) die Stückgut-Fracht auf das Frachtschiff verladen haben.

 

Beginn der Verladung:

 

 

 

Drei Stunden später:

 

 

 

Währendessen ich auf die Verladung von Rhino auf die „Autofähre“ warte, hatte Dag sich schon mal auf die Personenfähre geschlichen, um uns dort einen Schlafplatz für die Nacht zu sichern. Die Erste Klasse Kabinen waren nämlich schon alle ausgebucht, und so mußten wir uns mit der zweiten Klasse (= Deckspassage) vergnügen.

 

Da die Fähre für 200 Passagiere ausgelegt war, aber angeblich ca. 550 Pax (plus Gepäck, dazu später mehr) an Bord waren, gestaltete sich das Finden eines netten Schlafplatzes schwieriger als geplant. Dag hat es aber Dank Ihres heldenhaften Einsatzes geschafft, für uns beide zusammen ca. 0,5 qm auf einer Holzkiste für Rettungswesten zu erobern und auch gegen alle Angriffe der anderen Passagiere zu verteidigen.

 

 

 

 

 

Das war sicher nicht so einfach, denn zwischen den Sudanesen flogen dazu auch schon mal die Fäuste…

 

Ca. um 17 Uhr werden dann endlich auch unsere Fahrzeuge verladen. Alles sehr „afrikanisch“, die Fahrzeuge fahren selbst auf den Lastkahn drauf, aber am Ende hat alles gut geklappt:

 

 

 

 

 

Als ich gegen 18 Uhr dann endlich die Personenfähre betrete, trifft mich fast der Schlag. Nicht nur, dass die Fähre von der Personenanzahl um 250% überladen ist. Außerdem haben die überwiegend sudanesischen Reisenden auch noch jeder ca. 2 Kubikmeter GEPÄCK mit an Bord. Ich denke, da muß wohl ein Praktiker-Baumarkt in Süd-Ägypten alles was einen Stecker hat mit minus 80% verkauft haben: Fernseher, Kühlschränke, Spiele-Konsolen, Sat-Receiver, Sat-Schüsseln, Bügeleisen, Stereo-Anlagen, Lautsprecher-Boxen, Computer, Video-Kameras, Mikrowellen, Küchenmaschinen, etc. etc. Außerdem noch Kochtopf-Sets, Fahrräder, Klamotten ohne Ende, Schuhe, usw; eben einfach ALLES, was man in Ägypten vergleichsweise „günstig“ kaufen kann und dann im Sudan auf den Märkten wieder weiterverkaufen kann, ist auf der Passagierfähre zu bekommen. Die Sudanesen nehmen aber nicht „aus Spaß“ so viel Zeugs mit an Bord, sondern weil das ihr Beruf ist: sie sind nämlich zu allergrößten Teil Händler und reisen daher quasi „beruflich“ mit der Fähre.

 

Hier ein paar Bilder, die das Leben an Bord aber leider nur unzureichend wiedergeben:

 

 

 

 

 

 

 

Nachts war übrigens alles was auf dem letzten Bild GRÜN ist (also der BODEN) mit Menschen bedeckt, die auf eben diesem geschlafen haben. Es war nachts so voll, dass man nur mit größter Mühe sich überhaupt auf der Fähre bewegen konnte, ohne den schlafenden Menschen irgendwo drauf zu treten!

 

Für uns war die Nacht trotz des beengten Platzes nicht so schlimm wie befürchtet: es ist angenehm kühl auf dem Wasser, über uns ein toller Sternenhimmel und so hält eben einer „Wache“, während der andere schläft. Um ca. 1 Uhr nachts überkommt mich auf meiner Wache auch der Schlaf, so dass wir beide ein bißchen ratzen und morgens um 6 dürfen wir dann gemeinsam einen tollen Sonnenaufgang erleben.

 

Hier möchte die „Lektorin“ noch ein Foto einfügen in Sachen sanitäre Möglichkeiten an Bord….(kein grins).

 

 

 

 

 

Am nächsten Morgen freunden wir uns mit einem des sudanesichen Händler an: Terab Hasabo kommt aus Khartoum, war in Cairo einkaufen und erzählt uns Dank seines recht passablen Englischs viele interessante Details aus dem Leben eines sudanesischen Händlers. Als wir wieder von Bord gehen, müssen wir ihm hoch und heilig versprechen, dass wir ihn und sein Familie besuchen werden, wenn wir in Khartoum sind.

 

Hier ein Foto von mir, Terab und meiner sudanesischen Freundin (grins).

 

 

 

 

 

Übrigens, noch eine Anmerkung „in eigener Sache“: einige unter Euch haben uns ja sicher für ein bißchen verrückt erklärt, als wir von unseren Afrika-Reiseplänen erzählt haben. Aber erfahrungsgemäß gibt es ja immer  jemanden, der noch verrückter ist:

 

 

 

Juno aus Süd-Korea war ebenfalls mit uns auf der Fähre und radelt alleine von Kairo nach Kapstadt. Und wenn ihr nun denkt, DAS sei aber nun wirklich verrückt, dann schaut Euch doch mal das folgende Bild der Plakette an, die wir auf der Fähre fotographiert haben:

 

 

 

Man beachet den „kleinen“ Schlenker durch den Kongo (das ist URWALD) und die Durchquerung der Zentralsahara!!! Und das in den Dreiziger-Jahren des letzten Jahrhunderts! Gab es da überhaupt schon Fahrräder mit Gangschaltung?

 

Bis bald, viele Grüße aus Khartoum im Sudan

 

Tom & Dag

 

 

 

 

 

 

 

11 Antworten zu “Faehre des Grauens”

  1. Ingo 24. Oktober 2010 um 15:30 #

    Endlich ein Lebenszeichen von euch. Ich wollte schon die Marines aktivieren, damit sie euch aus den Bürgerkriegsgebieten des Sudan befreit.
    Das ist ja wieder mal ein Bericht, wie er im Buche steht:
    Mit echter „African-Style“ Fähre, Chaos und recht gemäßigten Saunatemperaturen – wie hält man das überhaupt aus??
    Ich hoffe noch auf einige Zeilen über den logistischen Alltag: Womit füllt man die Nahrungsvorräte auf. Was ißt man, wenn das Nutella und die Tütensuppen alle sind. Wie oder woher bekommt man Wasser und Sprit für Mensch und Maschine, usw.
    Bis dann erstmal. Hasta la vista…

    PS: Wie ist es jetzt im „echten“ Afrika??

    • gotoafrica2010 25. Oktober 2010 um 08:52 #

      Hi Ingo, das hoert sich danach an, als ob du unsere beiden SMS nicht bekommen hast. Wir hatten zweimal Koordinaten per Sat-Phone geschickt und hatten uns schon gewundert, dass Du sie nicht bei Map uebertragen hast. Tut uns leid, dass du Dir Sorgen gemacht hast; bei uns ist aber alles in bester Ordnung. Wir versuchen es noch einmal, vielleicht klappt es ja dann. Gruesse aus Khartoum senden Dag und Tom

  2. Rolf 24. Oktober 2010 um 15:46 #

    Wenn einer eine Reise tut……, kann man wirklich sagen.
    Der Bericht und die Bilder sind gut, wenn wir auch lange
    darauf gewartet haben. Wir denken, daß Eure Erwartungen voll und ganz erfüllt werden, ja, sogar übertroffen werden. Wir erwarten weitere realistische Schilderungen.
    Machts weiter gut.
    Marlene und Rolf.

  3. peter blümel 24. Oktober 2010 um 18:03 #

    Hallo Ihr zwei

    in dieser neuen Welt ist ja alles sehr spannend.

    Wir freuen uns bereits auf die nächsten Bilder und Berichte.
    Vielleicht koennt Ihr den Schal mal fotografieren.

    Die Borussia braucht weltweite Hilfe !!!

    Gruss Peter und Inge

  4. gitjeshorst 24. Oktober 2010 um 18:04 #

    Getz gehts los, getz gehts los! Endlich mal das in meinen Träumen und Vorstellungen wirkliche Afrika.
    So macht ihr den Daheimgebliebenen, auf Go-to-Africa Entzug Dahinvegitierenden wieder Hoffnung auf weitere heitere Berichte. Bin ich froh, dass wir eine moderne Dusche auf dem Festland haben.

    Aus dem herbstlichen Rheinland grüsst
    Eurer Art-Direktor

  5. Gabi Mösta 24. Oktober 2010 um 23:13 #

    Liebe Dagmar, lieber Thomas,

    Dank Ingos Computerkünsten sitze ich heute abend das erste Mal an meinem Laptop in Essen in meiner „Seniorenwohnung“ und habe alle Eure Reiseberichte gelesen, alle Fotos abgeschaut und bin beeindruckt von dieser fremden Welt, in die Ihr Euch gewagt habt.
    Es macht Spaß, Eure Texte zu lesen und die Bilder sind super!
    Dagmar, trägst Du auf der Überfahrt in den Sudan die für Frauen übliche Bekleidung?
    Ich freue mich darauf, demnächst wieder von Euch zu lesen und sende Euch herzliche Grüße aus dem Ruhrpott!
    Eure Gabi

    • gotoafrica2010 25. Oktober 2010 um 08:49 #

      Hallo Gabi, das freut uns aber. Da wird es in Deiner „Bude“ sicherlich angenehmer, wenn Du jetzt ins Internet kannst! Liebe Gruesse Dag und Tom

  6. Rita 25. Oktober 2010 um 08:56 #

    Hallo

    ich bin stark beeindruckt,wünsche Euch alles was ihr euch wünscht und warte auf neue schöne Berichte.

    Bis bald Rita

  7. Beat Gassner 25. Oktober 2010 um 16:09 #

    Hallo ihr zwei Afrika-Süchtige
    Euer RHINO und euch selber haben wir am 13.09. an der Reception beim Hotel Sara in Assuan gesehen. Wir waren vorher während 2 1/2 Wochen auch in Aegypten unterwegs, in den Oasen und im Grossen Sandmeer (südlich von SIWA). Gemäss eurer Website hätten wir euch schon früher treffen können: Siwa am 29.09./01.10 mit nächtlichem Sandsturm, dann eben 3 Tage durch die Great Sand Sea. Weisse Wüste am 04./05.10 und Dakhla am 07.10 – dorthin kamen wir über die Old Caravan Road – dann nach Kharga und gegen Norden bis Um Dabadib / Labeka. Von Baris mit Polizeieskorte (?) uber Bir Kuseiba direkt nach Abu Simbel. Seit dem 14.09. sind wir (leider) wieder zuhause in der saukalten Schweiz.
    Wir wünschen euch viel Erfolg und nur die üblichen Überraschungen im Sudan und auf der weiteren Route nach Südafrika
    Ruth und Beat Gassner, Thun / Schweiz

  8. blognovizin 26. Oktober 2010 um 09:59 #

    Lieber Tom, liebe Dag, das ist ja wirklich eine andere Welt, in der Ihr da rumabenteuert, unfassbar. Nun bin ich ja von Natur nicht überängstlich, aber die Situation auf dieser Fähre hätte mir den Schlaf geraubt. Dieser Abort – Dagmar, ich ziehe den Hut vor Dir. Da tun sich die Herren doch etwas leichter, denke ich. Canesten dabei? Und ich schließe mich Ingo an: Was esst Ihr so? Wie macht Eure Verdauung das mit? Unappetitliche Themen heute 😦
    Wie kommst Du bei 45 Grad mit der ganzkörperbedeckenden Kleidung klar, Dag? Außer Dir ist auf den Fotos keine Frau erkennbar. Ist das Zufall oder sind einheimische Frauen im Sudan immer noch an Heim und Herd festgekettet?
    Heute übrigens Frühnebel in München, musste die Windschutzscheibe freikratzen. LG, Silke

  9. Elke 26. Oktober 2010 um 23:46 #

    Also ich hab ja schon beim Lesen der Überschrift das „Grauen“ gekriegt. Mein erster Gedanke: Hoffentlich können die beiden gut schwimmen! Aber euch kann ja nichts schrecken, der Hesse würde sagen: Nur de Hadde komme in de Gadde !
    Der Rhino musste wohl auf einer extra Fähre fahren, hattet ihr da nicht Angst um ihn und sein Inventar?
    Wie fühlst du dich eigentlich unter all den Männern, Dagmar? Lassen sie dich in Ruhe?

    Eine spannende Zeit wünscht euch Elke.

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