Anhalter in Marokko

8 Apr

Anhalter und Familie

Auf unseren Überlandfahrten haben wir schon oft Leute an der Strasse warten sehen. Oft winken sie uns zu, machmal schauen sie uns nur nach. Als wir wieder einmal auf einer ganz besonders kleinen Strasse unterwegs sind, steht mitten im „Nowhere“ ein älterer Mann mit Taschen. Hier kommt kein Bus und kein Taxi vorbei und auch das nächste Auto wird noch einige Zeit auf sich warten lassen.

Wir halten also an und fragen auf französisch, ob wir ihn mitnehmen können. Er freut sich und steigt zu uns in Fahrzeug hoch. Seine Einkäufe aus der Stadt legen wir in den Mittelgang, Tom fährt und ich gehe auf die Rücksitzbank. Mit unseren Französisch-Grundkenntnissen bekommen wir sogar ein Gespräch hin.

Es ist hier in Marokko nicht selbstverständlich, dass französisch gesprochen wird. In der Schule wird hocharabisch unterrichtet, man spricht aber sehr viele Berber- und Arabisch-Dialekte. Französisch gilt als die Zweitsprache des Landes und als Sprache der Interlektuellen.

Wir erfahren von dem Herrn, dass er mit seiner Familie auf dem Land wohnt und dort etwas Land mit Kirschbäumen hat. Als wir an seinem Hof ankommen, müssen wir mir unseren Rhino direkt bis vor die Haustüre fahren. Wir vermuten, dass er stolz darauf ist, von so einem großen Fahrzeug nach Hause gebracht zu werden und dass es alle Nachbarn sehen sollen. Er bedankt sich mehrfach und bittet uns in sein Haus auf einen Tee. Dort werden wir seiner Frau und der cirka 20jährigen Tochter mit ihrer 9 Monate alten Baby vorgestellt.

Der Herr bringt uns in ein kleines Haus, welches aus nur einem grossen Raum besteht. Darin befindet sich so etwas, was man wohl als die „gute Stube“ bezeichnet – oder den Salon. Teppiche liegen auf dem Boden und rund an der Wand sind Sitzbänke mit dicken Kissen und Decken. Die Frau verschwindet in der Küche und nun leistet uns auch der neunjährige Sohn Gesellschaft.

Ausser dem Vater spricht niemand französich, aber alle lauschen aufmerksam unserem Gespräch. Dann wird Tee gebracht. „Whisky Marrocain“ wird das Nationalgetränk auch scherzhaft genannt. Der Tee besteht aus chinesischem grünen Tee, frischer Minze und viel Zucker. Er wird in einer Kanne zubereitet und dann schwungvoll in kleine Gläser geschüttet. Sehr heiss, und auch sehr lecker.

Die Frau kommt wieder und bringt lauwarme Linsen, ein Eierragout, Zwiebeln und Brot. Wir werden aufgefordert zu essen. Alles sieht sehr lecker aus, riecht gut und schmeckt vorzüglich. Zusammen mit dem Herrn essen wir, die Kinder und die Ehefrau sehen uns dabei zu.

So viel Freundlichkeit, bloss weil wir ihn ein Stück im Farzeug mitgenommen haben, ist uns schon fast unangenehm. Auch wir möchten uns bedanken, daher springe ich in den Rhino und hole meinen mobilen Fotodrucker (mit Batterie-Betrieb). Ich mache zwei Fotos von der Familie und drucke sie dann vor den staunenden Augen aus. Vielleicht ist es das erste Foto, was diese Mutter von ihrem kleinen Kind hat. Alle strahlen und wir haben ein gutes Gefühl als wir dann später das Haus wieder verlassen. Würde einem das jemals in Deutschland passieren?

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